Der mittelgrosse Raum am Stadtrand von Zürich im Quartier Friesenberg verfügt über eine professionelle Küche, in der tagsüber Speisen für eine Restaurant-Kette produziert werden. Einmal in der Woche abends ab 18 Uhr wird die Küche von Freiwilligen, die fliessend Deutsch sprechen, und jungen Teilnehmenden, die ihr Deutsch verbessern möchten, in Beschlag genommen. Was alle verbindet: die Freude am Kochen und Lernen, am Austausch und Essen. Denn am Ende des Abends steht immer ein feines, kreatives Menü auf dem langen Tisch im Eingangsbereich. Es hat für alle Platz. Es ist die Krönung des Abends: Alle speisen gemeinsam, geniessen, reden manchmal wild durcheinander, lachen oder hören still zu.
Gefüllte Peperoni und Banitsa
Die Freiwilligen sind eine genauso bunt zusammengemischte Gruppe wie die Teilnehmenden – sie arbeiten tagsüber in der Logistik, der IT, als Architektin oder Juristin. Manche überlegen sich eine Zweitausbildung im sozialen Bereich und sind interessiert an Erfahrungen in einem sozialen Projekt. Einer von ihnen ist Koch – derzeit jedoch nicht mehr im Beruf tätig. Das Menü an diesem Tag hat die Freiwillige Vania (oben rechts) zusammengestellt. Es ist ein bulgarisches Rezept: gefüllte Peperoni und Banitsa – ein bulgarisches Käsegebäck. Jede Woche ist jemand aus der Freiwilligengruppe verantwortlich für das Menü und den Einkauf. Vania radelt mit dem Fahrrad und den vollen Einkaufstüten heran und wird schon von den anderen erwartet. So schnell, wie alles ausgepackt und in der Küche ausgebreitet wird, kann man gar nicht schauen – so viele Hände, die helfen. Sie zeigt ein paar Handgriffe, zum Beispiel wie die Peperoni geschnitten werden sollten, und beim gelernten Koch gibt es auch viel abzuschauen. Und danach – so scheint es – geht es wie von selbst. Alle arbeiten mit, Hand in Hand. Während die gefüllten Bleche im Ofen sind, räumen die einen auf, waschen Töpfe, Schüsseln und Schneidebretter ab, und die anderen decken den Tisch und tragen die Stühle heran.
Menüs aus verschiedenen Ländern
Die Teilnehmenden sind junge Menschen, die noch nicht lange in der Schweiz leben. Anfangs, als sich alle noch nicht so gut kennen, sind sie mehrheitlich noch etwas schüchtern. «Viele haben noch wenig Kocherfahrung», erzählt Vania. «Sie lernen im Food- Treff Rezepte und Gerichte kennen und im Umgang mit Lebensmitteln und dem Thema Ernährung gleichzeitig viele deutsche Wörter. Sie fragen, wie etwas heisst, was es ist und wofür man es braucht, zum Beispiel, was Tofu ist. Manches gibt oder gab es nicht in ihrer Heimat.» Nach einigen Wochen erzählen die Jugendlichen von ihren Lieblingsgerichten und bringen auch eigene Menüvorschläge ein. «Mit der Zeit werden alle lockerer, man lernt sich kennen und weiss, wer wer ist – auch wir Freiwilligen. Ich war am Anfang auch erst zurückhaltender und wurde mit der Zeit entspannter. Die Jugendlichen schlagen Menüs vor. Sie blühen auf, vor allem, wenn sie auch Ideen einbringen können und wir diese zusammen zubereiten. So lernen auch wir Freiwilligen von den Teilnehmenden Gerichte kennen und erfahren mehr über ihre Heimat.»
Kochen lernen durch abschauen
Vania hat das Kochen von ihrer Grossmutter und Mutter durch Abschauen und Ausprobieren gelernt. Mit neun Jahren kam sie mit ihrer Mutter in die Schweiz. Zu Hause kochte ihre Mutter meistens bulgarische Rezepte. Später gab es auch in der obligatorischen Schulzeit Kochunterricht. «Ich liebe das Kochen, Kreativität auszuleben, etwas Feines zuzubereiten, und bin absolute Verfechterin von gutem Essen und dem damit verbundenen gesellschaftlichen Aspekt.» Im Berufsalltag vermisst die Juristin und Rechtsanwältin ein wenig die Zusammenarbeit mit Menschen. Der Food-Treff «stir it up» vereint ihre Leidenschaften: mit Freiwilligen und Jugendlichen zusammenzuarbeiten – und die Tätigkeit an sich, das Kochen. «Ich finde es toll, voneinander zu lernen. Man ist gewisse Dinge gewöhnt, weil man sie so macht – und lernt viel von anderen, die etwas auf eine andere Art machen.» Lachend ergänzt sie: «Ich sehe keinen einzigen Nachteil bei diesem Engagement – nur positive Aspekte in Kombination.»
Alle lernen voneinander
Die teilnehmenden Jugendlichen leben ohne ihre Eltern in der Schweiz und können nicht wie Vania durch Abschauen kochen lernen. Sie besuchen meist auch keine obligatorische Schule mit Kochunterricht mehr. Mehr Kenntnisse und Kompetenzen zu den Themen Ernährung, Kochen und Umgang mit Lebensmitteln sind hilfreich für ein selbstständiges Leben. Gleichzeitig erweitern die Teilnehmenden auch ihre Sprachkenntnisse. Sie sind jung und haben das Ziel, sich eine berufliche Zukunft aufzubauen. Die Hürden, einen Beruf erlernen zu können und den Berufsabschluss zu erreichen, sind für Menschen mit Fluchtgeschichte hoch. Ein wichtiger Schritt ist es, gut Deutsch zu lernen und im Alltag Menschen zu treffen, mit denen sie das Sprechen der deutschen Sprache üben können.
Der Food-Treff «stir it up» ist eine Möglichkeit, im lockeren Rahmen mit Menschen in Kontakt zu kommen, die schon länger hier leben. Das Projekt wurde im Februar 2025 lanciert. Die Plätze waren sehr schnell besetzt. Viele wären gerne länger geblieben als ein halbes Jahr. Die Idee ist aber, dass nach einem halben Jahr neue Jugendliche teilnehmen können. Da Kochen so vielen Freude macht, war es auch leicht, genug Freiwillige zu finden. Das Ziel ist, dass alle davon proftieren – die Freiwilligen und die Teilnehmenden. Es wird viel gelacht – kochen in der Gruppe ist ein kreativer Prozess, und am Ende lernen alle voneinander.
Food-Treff «stir it up»