Rotkreuz-Fahrdienst

Geschätzte Gespräche

Im Rotkreuz-Fahrdienst waren Freiwillige letztes Jahr 182'000 Stunden im Einsatz. Sie fahren in der Mobilität eingeschränkte Menschen zu ihrem medizinischen Termin. Doch wer sind die Fahrgäste, die den Dienst nutzen?
Ein freiwilliger Rotkreuz-Fahrer bringt einen Fahrgast nach Hause

Freiwillige Fahrerinnen und Fahrer bringen im Rotkreuz-Fahrdienst Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, zu ihrem Termin bei der Ärztin oder beim Arzt, im Spital oder zur Therapie. Die Nachfrage steigt schon seit Längerem – auch aufgrund der demografischen Entwicklung. Die gefahrenen Kilometer werden immer mehr: 2024 waren es über 2'260'000 Kilometer, welche die Freiwilligen für die Fahrten ihrer Fahrgäste zu medizinischen Terminen zurücklegten. 

Viele Fahrgäste im Pensionsalter 

Zu den Fahrgästen zählen insbesondere viele ältere Menschen. Sie wohnen zwar noch selbstständig, sind aber nicht mehr genügend mobil, um allein zu einer ärztlichen Untersuchung zu fahren. Rund 85 Prozent der Fahrgäste im Kanton Zürich sind im Pensionsalter. Frau Büchi zum Beispiel ist 85 Jahre alt, wohnt in Seuzach und fährt noch selbst Auto. Allerdings nur, wenn sie gesund ist, und auch keine weiten Strecken mehr. Wegen einer Diskushernie konnte sie sich nicht mehr bücken und hatte Schmerzen. Auch Probleme in den Beinen plagen sie immer wieder. «Es sind sehr nette Menschen, die einen abholen. Ich war immer sehr zufrieden », erzählt sie.

Man kann den Freiwilligen vertrauen. Sie pressieren nicht, das ist mir wichtig.
Frau Büchi, Fahrdienst-Kundin

Auch wichtig sei ihr, weiterhin für Projekte und Hilfswerke wie das SRK Kanton Zürich zu spenden. «Meine Mama spendete auch immer. Ich finde, man ist dazu verpflichtet, wenn man helfen kann. Mir geht es gut, ich hatte einen lieben Mann, war Filialleiterin und habe eine liebe Familie», erzählt sie. «Vom vielen Heben damals im Berufsleben habe ich zwar die Rückenschmerzen. Aber ich bin sehr lebendig, deshalb bin ich so alt geworden», lacht sie. 

Ein freiwilliger Rotkreuz-Fahrer holt eine Patientin ab

Grosse Dankbarkeit

Sandra Cueva, Einsatzleiterin im Rotkreuz- Fahrdienst, erzählt: «Oft berichten die Fahrgäste, sie hätten in der Nachbarschaft oder im Umfeld vom Fahrdienst gehört und möchten ihre Familie oder ihre Kinder entlasten. Manchmal schlagen auch Arztpraxen den Fahrdienst vor. Die meisten Fahrgäste sind stark in der Mobilität eingeschränkt und können nicht mehr mit dem öff­entlichen Verkehr fahren. Je nach Wohnort ist die Bushaltestelle oder der Bahnhof zu weit weg. Die Fahrgäste sind sehr dankbar, dass sie von den Freiwilligen bis in die Praxis begleitet und dort wieder abgeholt werden.» 

Herr Pfister, ein Fahrgast aus Bülach, hat vor einigen Monaten schweren Herzens freiwillig seinen Fahrausweis und sein Auto abgegeben. Er ist 92 Jahre alt und hat eine langwierige Augeninfektion, die durch ein Virus hervorgerufen wird. «Das Auto abzugeben, war schmerzhaft für mich. Nach 72 unfallfreien Jahren die bisherige Mobilität und Selbstständigkeit aufzugeben, fiel mir schwer. Da ich leider nicht mehr so gut sehe, war es ein Vernunftsentscheid.» Für die Augenkontrollen und die Behandlung ist er auf den Fahrdienst angewiesen. Da er seine Frau nun nicht mehr zu Arztterminen fahren kann, reserviert er auch für sie Fahrten beim Rotkreuz-Fahrdienst. 

Falls einmal ein Notfall eintreten würde, könnte ich auch einen Nachbarn fragen, aber für die regulären medizinischen Termine bin ich sehr dankbar um den Fahrdienst.
Herr Pfister, Fahrdienst-Kunde

Sandra Cueva berichtet: «Bei jüngeren Fahrgästen ist oft ein Unfall der Grund, eine Operation am Bein oder Knie, weshalb sie nicht das Tram oder den Bus nutzen können und den Fahrdienst brauchen. Wir fahren auch Kinder, deren Eltern krank sind, die in eine Therapie müssen.» Bei älteren Fahrgästen sind es mehrheitlich Fahrten zum Augen-, Zahn- oder Hausarzt sowie zu Spezialistinnen und Spezialisten aus dem Bereich Hals-Nasen- Ohren, Urologie oder Podologie. Oft werden auch Spitäler angefahren, bei schweren Krankheiten zur Chemotherapie, Bestrahlung und Dialyse. «Wir erhalten viele dankbare Rückmeldungen. Gerade bei sehr anstrengenden Terminen wie der Dialyse sind die Fahrgäste sehr froh, wenn die Fahrerin oder der Fahrer weiss, wo der Rollstuhl geholt werden muss für den Transfer innerhalb des Spitals, und sie nicht viel sprechen müssen.» 

Wertvolle soziale Kontakte 

Nach der Pensionierung war Herr Pfister selbst zehn Jahre als Freiwilliger im Fahrdienst engagiert. 1983 hat der ehemalige Personalleiter die Sternwarte Bülach mitgegründet, für welche er bis vor Kurzem noch als Demonstrator tätig war und zum Beispiel für Schulklassen Führungen machte. «Ich möchte noch mindestens acht Jahre leben und 100 Jahre alt werden», meint der aktive und lebensfrohe Senior. Er schätzt es, Gespräche über Politik und Gesellschaft zu führen. Das gefällt ihm auch am Fahrdienst, dass immer gute Gespräche mit den Freiwilligen entstehen. «Es sind unterschiedliche Menschen – ehemalige Handwerker, Hochschullehrpersonen oder jemand, der Schicht arbeitet und nachmittags Zeit hat. Ich bin vielseitig interessiert und schätze diese Gespräche.» 

In seiner Zeit als freiwilliger Fahrer habe er einmal einen Fahrgast eine weite Strecke zu Kur gefahren, nach Leukerbad. Dieser habe während der langen Fahrt kein einziges Wort gesprochen, erzählt er schmunzelnd. Aber das sei natürlich in Ordnung gewesen, es sei ihm einfach in Erinnerung geblieben. Er habe die Fahrt trotzdem genossen, da er immer sehr gern Auto gefahren sei. 

Dass die Gespräche und die Kontakte sehr wertvoll sind, bestätigt auch Sandra Cueva: «Das hören wir viel: Die Gespräche mit den Freiwilligen und die Möglichkeit, sich mitteilen zu können, haben für die Fahrgäste einen sehr hohen Stellenwert.» 

Viele haben durch ihre Einschränkung nicht mehr so viel Kontakte. Manche fragen direkt bei der Reservierung, ob sie wieder die gleiche Fahrerin oder den gleichen Fahrer haben dürfen, der oder die sei so nett gewesen und habe es so gut gemacht. «Dann versuchen wir natürlich, wenn es möglich ist, diesen Wunsch zu erfüllen. So kommt es auch vor, dass Fahrgäste die Freiwilligen nach dem Termin zu einem Kafi im Spital einladen und umgekehrt von ihrem Fahrer oder ihrer Fahrerin besucht werden, wenn sie für längere Zeit im Spital bleiben müssen.»